Buchvorstellung

Zeruya Shalev
Schicksal

Berlin Verlag 2021

„Schicksal“ hat mich beim Lesen ziemlich gefordert. Es dauerte fast ein Viertel der Seiten, bis ich in die Erzählung hineinfand.
Atara, eine Architektin, will nach dem Tod ihres Vaters dessen Geheimnissen auf den Grund gehen. Er hat nämlich nie über seine Geschichte und seine erste Liebe gesprochen. Diese, Rahel, sucht Atara auf, um mehr von dem zu erfahren, was auch ihre Geschichte geprägt hat.
Dabei führt die Autorin den Leser zurück in die Zeit des britischen Mandats über Israel. Eine zionistische militärische Untergrundorganisation (Lechi) hat Anschläge gegen die britische Mandatsherrschaft verübt. Auch nach dem Beginn des 2. Weltkriegs stellen sie diesen Kampf nicht ein, sie kämpfen fortan gegen das Hitler-geführte Deutschland. Aufgelöst wird die Lechi nach der Gründung des Staates Israel (1948). Über diese Zeit hat Ataras Vater nie gesprochen.
Rachel erzählt schließlich, wie es gewesen ist. Was für unterschiedliche Leute sich hier zusammenfanden, Rechte wie Linke, Religiöse und Atheisten, allesamt ähnlich radikale und emotionale Charaktere, von denen ein Großteil durchaus mit den in Palästina lebenden Arabern kooperieren und eine gemeinsame Front gegen den britischen Kolonialismus aufbauen wollte. „Die arabischen Bewohner des Landes sind nicht unsere Feinde“, sagt Ataras Vater im Buch zu Rachel und hebt auch die kleinsten Ansätze für ein jüdisch-arabisches Miteinander hervor. „Wir alle, die in diesem Lande leben, haben gemeinsame Interessen, ganz gleich, welcher Religion, Rasse oder welchem Volk wir angehören.“
Wir kommen ins Jetzt. Da aber folgt der Schock: Die Ermordung einer jungen Frau, Atara Schamir (der Vater wird seine Tochter nach ihr benennen, ohne es ihr je zu offenbaren), ausgerechnet durch Araber im Winter 1948, als arabische Banden mit Anschlägen auf den jüdischen öffentlichen Verkehr beginnen und unterschiedslos Alte, Frauen und Kinder ermorden.
„Ihr seid doch auch Terroristen gewesen! Wo liegt der Unterschied zwischen den ,Kämpfern für die Freiheit Israels‘ und den ,Kämpfern für die Freiheit Palästinas‘?“, hält Rachels erster Sohn ihr später vor.

10.08.2021